Perspectivia

Einleitung zur zweiten Edition (2018)

Fast sieben Jahre nach der Veröffentlichung der „Schatullrechnungen Friedrichs des Großen“ (2011) anlässlich des 300. Geburtstages des Königs (2012) präsentiert sich deren Edition der interessierten Öffentlichkeit nun in neuer und erweiterter Form. Die erste Ausgabe ist im Internet Archive verfügbar: web.archive.org.

Die erstmalig vollständig edierten Ausgaben bieten ein farbiges Bild aus vielen Bereichen der ideellen und materiellen Lebenswelt des 18. Jahrhunderts, und zwar sowohl des königlichen Hofes als auch des „einfachen“ Volkes - der Bürger, Handwerker, Soldaten, Diener, zuweilen sogar der Bauern. Dabei überwiegt naturgemäß der höfische Charakter, denn eine Schatulle wurde damals vor allem zur Bezahlung fürstlicher Wünsche geschaffen.

Die monatlichen Ausgaberegister verzeichnen erwartungsgemäß Summen für Luxusgüter, z. B. Pasteten aus Paris oder teure Schabracken. Rechnungen für Bücher und Gemälde, für die Bezahlung des Personals der Hofkapelle oder von Tabatieren zeigen die vielfältigen Interessen des Königs sowie sein Repräsentationsbedürfnis. Die medizinische Betreuung des Monarchen, deren Kosten sich – zumindest teilweise – ebenfalls in den Ausgaben niederschlagen, überstiegen damals die entsprechenden Möglichkeiten der meisten Menschen natürlich bei Weitem. Andere Summen – wie für die Anschaffung lederner Löscheimer – mussten hingegen in ähnlicher Höhe auch von den „normalen“ Bürgern beglichen werden. Und wenn noch im März und April des Jahres 1771 Zahlungen fürs Schneeschippen anfielen, lässt das auf einen langen Winter oder zumindest späten Wintereinbruch schließen.

So vielfältig diese Informationen auch sind und sich von der Forschung in mancherlei Hinsicht nutzen lassen, wurde in der Einleitung zur ersten Edition dennoch beklagt, dass die Belege zu den Schatullrechnungen im Zweiten Weltkrieg verbrannten. Die Recherche im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz ergab, dass sich bis 1943 75 Bände mit „Beläge[n] der Monatlichen Schatullrechnungen“ im Königlichen Hausarchiv (seit 1925 Brandenburg-Preußisches Hausarchiv) befanden, wohin sie 1880 im Zuge der sog. „Bellevue-Ablieferung“ gelangt waren. Die Schwere des Verlustes zeigte sich an der in einem zweiten Schritt ebenfalls edierten Roten Schatulle und an Arbeiten von Wissenschaftlern, die die „Beläge“ noch für ihre Arbeit nutzen konnten. Oftmals enthielten diese Informationen, die ein genaues Verständnis der einzelnen in den edierten Monatlichen Schatullrechnungen enthaltenen Ausgaben erst ermöglichten. Um diesen Verlust wenigstens etwas ausgleichen zu können, ist – wenn möglich und bekannt – im Kommentar auf die Belege in der Sekundärliteratur verwiesen.

Der Vergleich mit den Unterlagen der „Roten Schatulle“ erlaubte auch eine erste Vermutung darüber, welche Dokumente mit den „Belägen“ gemeint waren: Offenbar handelte es sich um Rechnungen und Quittungen. Auch die tabellarischen Zahlungsregister, die – entsprechend ihrer Bezeichnung im Archiv – 2011 als „Monatliche Schatullrechnungen Friedrichs des Großen“ auf perspectivia.net., der elektronischen Publikationsplattform der Max Weber Stiftung, veröffentlicht wurden, verweisen teilweise auf die „Beläge“. So finden sich in der Spalte „Bestätigung“ unter anderem Einträge wie „L. Q.“ ( lt. Quittung), „L. R.“ (lt. Rechnung) oder „L. R. u. Q“ (lt. Rechnung und Quittung).

Auf der Basis der Angaben in der Spalte „Bestätigung" ist es schwierig zu entscheiden, ob die überlieferten Zahlungsregister vor oder nach der Begleichung der vom Handwerker, Künstler oder Lieferanten eingereichten Rechnung angelegt wurden. Ein Verweis auf eine Quittung legt die Entstehung nach der Auszahlung nahe. Bei vielen Ausgaben fehlt dieser aber. Möglicherweise ist zunächst ein Entwurf angefertigt worden, der neben regelmäßigen Ausgaben (z. B. monatlich anfallende Tractamente u. Pensionen) weitere Posten aufführte. Der König und sein Geheimer Kämmerier entschieden dann auf der Basis des zur Verfügung stehenden Geldes, was im jeweiligen Monat bezahlt werden sollte, wobei die endgültige Entscheidung beim Monarchen lag.

Auf ein derartiges Verfahren deutet ein weniger offensichtlicher Verweis auf die „Beläge“ in den Zahlungsregistern hin. In diesen sind die einzelnen Ausgaben in der Regel nummeriert (Spalte „No.“). Auch die „Beläge“ eines Monats waren in der Regel nummeriert und deren Zählung entspricht der der Ausgaben im monatlichen Zahlungsregister. Die ausgewählten Rechnungen wurden nummeriert, vermutlich auch bezahlt und auf dieser Basis entstand dann das – offenbar endgültige und in dieser Form wohl überlieferte - Zahlungsregister.

Die neue Edition verknüpft nun - online - erstmals die Notizen Walter Stengels zu ca. 1500 derartigen „Beläge(n)“ mit den Ausgaberegistern der Monatlichen Schatullrechnungen.

Für die monatlichen Ausgaberegister ändern sich das Layout und die nun umfangreicheren Suchmöglichkeiten. Inhaltlich erfolgt durch die Aufnahme der „Belege“ eine qualitative Erweiterung, sodass zweifellos von einer Neuedition gesprochen werden kann.


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Einleitung zur ersten Edition (2011)

Die Veröffentlichung der „Schatullrechnungen“ Friedrichs des Großen wäre zu seinen Lebzeiten wohl Hochverrat gewesen. Denn für den Monarchen zählten Finanzangelegenheiten zu den schützenswertesten Arkana des Staates, an deren Publizierung nicht zu denken war. Wenn jetzt, im Vorfeld des 300. Geburtstag des Monarchen, diese Aufzeichnungen erstmals zur Gänze wissenschaftlich ediert werden und damit für jedermann zugänglich sind, stößt der heutige Leser bei der Durchsicht dieser Blätter immer wieder auf ungeklärte Fragen. Die Schatullrechnungen sind eine faszinierende Quelle zur Epoche Friedrichs des Großen, und gleichzeitig erscheinen sie als höchst sperrige Dokumente, die sich nicht unbedingt von selbst erschließen.

Das liegt vor allem in der „Natur“ der Kasse: Nach zeitgenössischen Lexika liegt das charakterisierende Merkmal einer „Chatoulle“ (wie man damals schrieb) in dem „unmittelbaren Gebrauche des Regenten“. Ohne dessen Befehl wurde hieraus nichts ausgezahlt. Für die Begleichung stehen hauptsächlich die Einnahmen aus „besonderen Schatullgütern“ oder festgelegte Beträge aus den „ordentlichen Einkünften des Staats“ zur Verfügung.

In Preußen hatte sich die zweite Variante bereits unter Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm I. durchgesetzt. Demzufolge kann man die „Schatulle“ als eine Durchgangskasse betrachten. Aus anderen „Töpfen“ gespeist, diente sie zur Begleichung von Forderungen, deren Bezahlung aus der Schatulle allein der König entschied. Demzufolge haben unterschiedliche Herrscher verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Man kann also auch vermuten: Die Auswertung der Schatulle müssten besondere Aufschlüsse über die Interessen und Vorlieben des Monarchen ermöglichen.

Die oftmals anzutreffende Beschreibung einer „Schatulle“ als „Privatkasse“ bzw. „Kasse für private Ausgaben“ ist – zumindest im Falle Friedrichs – eher irreführend. Wann ist denn der Monarch „privat“? Mit jeder Tafel waren auch repräsentative Aufgaben verbunden, und wenn er seine Lieblingsschwester Wilhelmine empfing und für sie ein glänzendes Fest veranstaltete, dann traf er auch die Gemahlin des Markgrafen von Bayreuth, also eines potentiellen Verbündeten Preußens. Auch die mit Opernaufführungen verbundenen Besuche seiner Schwester Ulrike, der Königin von Schweden, trugen immer diesen doppelten Charakter eines privaten-familiären, aber eben doch auch politischen Ereignisses.

Darüber hinaus war die „Führung“ solcher Rechnungen stets Bediensteten übertragen, die dem Monarchen durch ein besonderes Vertrauensverhältnis verbunden waren wie etwa die Geheime Kämmerer Fredersdorf und Leining sowie der Hofstaatsrentmeister und Trésorier Buchholtz; alle waren maßgeblich an der Abfassung dieser Rechnungen beteiligt. Konzepte für die Rechnungen dürften zudem von den Kammerhusaren Rüdiger und Zeising abgefasst worden sein. Der König hat sich zumindest einen Teil der Rechnungen vorlegen lassen, mitunter hat er sogar selbst an den Abrechnungen mitgewirkt, wie mit Anmerkungen versehene und eigenhändig verfasste Blätter zeigen.

Darüber hinaus war die „Führung“ solcher Rechnungen stets Bediensteten übertragen, die dem Monarchen durch ein besonderes Vertrauensverhältnis verbunden waren wie etwa die Geheime Kämmerer Fredersdorf und Leining sowie der Hofstaatsrentmeister und Trésorier Buchholtz; alle waren maßgeblich an der Abfassung dieser Rechnungen beteiligt. Konzepte für die Rechnungen dürften zudem von den Kammerhusaren Rüdiger und Zeising abgefasst worden sein. Der König hat sich zumindest einen Teil der Rechnungen vorlegen lassen, mitunter hat er sogar selbst an den Abrechnungen mitgewirkt, wie mit Anmerkungen versehene und eigenhändig verfasste Blätter zeigen.

Wie vorher geschildert, befanden sich alle mit der „Schatulle“ befassten Personen im unmittelbaren Umfeld des Königs. Diese Tatsache birgt ein Problem: Die meisten Ausgaben mussten nicht ausführlich beschrieben werden, alle Beteiligten waren mit ihnen vertraut. Um den Kontext der notierten Rechnungsposten besser zu verstehen, hätten vielleicht die zu den Rechnungen gehörenden, meist durch die Empfänger ausgestellten Quittungen helfen können. Diese enthielten oftmals eine kurze, weitergehende Beschreibung. Doch diese Aufzeichnungen – immerhin 75 Bände – sind im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen. So zählten die Archivare des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 15 Aktengruppen (Altsignatur G I bis G XV) zur „Schatulle“ Friedrichs.