Meine teuerste Schwester.
Ich habe das Vergnügen gehabt, zwei Ihrer teuren Briefe zu empfangen, einen vom 17.
            und einen anderen vom 20.[ Dezember 1754], datiert in Avignon. Ich bin entzückt, zu wissen, dass Sie sich einer wenigstens
            leidlichen Gesundheit erfreuen. Und ich hoffe, dass, wenn Sie die Provence erreicht
            haben werden, Sie nicht mehr so stark von den Nordwinden belästigt werden. Sie sind
            zu gütig, an meine kleinen Vergnügungen zu denken, betreffs der beiden Kunstkabinette,
            die man verkaufen will. Was das eine aus Montpellier anbelangt, das nur einen Haufen
            Schätze aus China enthält, so ist es merkwürdig, aber ich gestehe, dass es mich nicht
            in Versuchung führt. Was dasjenige von Monsieur de Crillon anbelangt, es hat in Paris
            keine große Berühmtheit. Offenbar interessierte den König doch, was es mit dem angebotenen Kabinett auf sich
                  hatte, und er ließ seinen Schatzmeister Michael Gabriel Fredersdorf (1708–1758) bei
                  Louis-François Mettra (gest. 1763) in Paris danach fragen. Dies geht aus einem Antwortbrief
                  Mettras vom 30.01.1755 hervor. Dort berichtet er von seinen – bis dahin – vergeblichen
                  Mühen, mit Crillon zu sprechen. Außerdem verspricht er, Kenner hinzuzuziehen, um Genaueres
                  über das Kabinett zu erfahren. {Cfr.: #1 GStA PK, BPH, Rep. 47, Nr. 1416.} Und wenn man die ganze Masse kauft, erhält man für gewöhnlich mehr Mittelmäßiges
            als Gutes, ganz zu schweigen vom Geldaufwand, der ziemlich beträchtlich ist. Ich wundere
            mich nicht, dass Sie den Duc de Richelieu sehr verändert vorgefunden haben. Er hat
            sein ganzes Leben daran gearbeitet, rasch zu altern. Dennoch soll dieser Mensch die
            Ausstrahlung eines großen Herrn und die Geschliffenheit eines alten Höflings haben.
            Die Damen von Avignon müssen äußerst oberflächlich sein, wenn Sie an Ihnen nur die
            Anpassung wertschätzen. Da spürt man sehr die Provinz. Und ich gestehe Ihnen, dass
            dies nicht zu deren Gunsten spricht. Ich hoffe stets, dass Sie in Montpellier mehr
            Annehmlichkeiten vorfinden werden. Oder dass, wenn Ihnen der Aufenthalt dort nicht
            genehm ist, Sie sich in Aix-en-Provence oder in Marseille ansiedeln, Orte, die wegen
            des Klimas viel angenehmer sind, Aix-en-Provence [zudem ]wegen der Gesellschaft und Marseille wegen der Einsamkeit. […]
Leben Sie wohl, meine entzückende Schwester. Ich wünsche Ihnen tausendmal [alles Gute ]für Ihre Zufriedenheit, für Ihre Genesung und für alles, was dazu beitragen kann,
            Ihnen das Leben süß und angenehm zu machen, dabei bitte ich Sie, mir meine Wertschätzung
            voll der lebhaftesten Zuneigung zu glauben.