Perspectivia

([o. O. ][Potsdam ]den 6. November 1755

Meine teuerste Schwester.
Ich preise den Himmel, da Ihre Gesundheit mir gegenwärtig besser erscheint als in der Vergangenheit. Ich schreibe diese glückliche Veränderung der Ablenkung durch die Reise zu. Und gewiss ist es die angenehmste Arznei, derer man sich bedienen kann. Ich zweifle keinesfalls, meine teure Schwester, an der Echtheit des antiken Gemäldes, das Sie die Güte hatten, mir zu schicken. Meine Zweifel sind die Auswirkung einer großen Unwissenheit auf diesem Gebiet. Ich stelle gegenwärtig eine Bildergalerie in Sanssouci zusammen. Und es ist erstaunlich, mit welcher Mühelosigkeit ich dazu gelangt bin, eine recht umfassende Sammlung von unter den Kennern bekannten und berühmten Bildern zusammenzubringen. Dies wird eine kleine Verschönerung in Sanssouci sein und als angenehmer Spazierweg dienen, wenn es das schlechte Wetter verhindert, in den Garten hinabzugehen. Sie sehen, meine teure Schwester, dass ich mich nicht an eine [einzige ]Torheit halte, sondern dass ich alle Schattierungen davon pflege. Wenn es notwendig wäre, glaube ich mich damit derartig ausgestattet, dass ich einem Weisen einen Teil überlassen könnte und noch immer etwas davon behielte. Würde ich mich nicht auf die Unterstützung gründen, mit welcher Sie meine Schwächen erdulden, hätte ich nicht den Mut gehabt, Ihnen dieses Geständnis zu machen. Aber ich hoffe, dass Sie das alles mit dem Mantel des Schweigens bedecken, zugunsten der alten und unverbrüchlichen zärtlichen Empfindungen, mit welchen ich bin,

Meine teuerste Schwester,
Ihr getreuester Bruder und Diener

Friedrich.)